Festrede von Sandra Mayer zur Verleihung der Auszeichnungen für Frauen in der Spitzenforschung

Please see English version below.

Firnberg-Richter-ESPRIT-Feier Mai 2022

Sandra Mayer © FWF / Luiza Puiu
Sandra Mayer © FWF / Luiza Puiu

Sehr verehrte Fest- und Ehrengäste, Vertreter:innen des FWF, der Ministerien und der Universitäten, liebe Mentor:innen und – am allerwichtigsten – liebe ausgezeichnete Kolleginnen,

Als Literaturwissenschafterin möchte ich gerne mit einem Zitat des irischen Schriftstellers Oscar Wilde beginnen, der im Jahr 1883 schreibt: „Success is a science; if you have the conditions you get the result“ – frei übersetzt: „Erfolg ist eine Wissenschaft: wenn die Voraussetzungen stimmen, führen sie zum gewünschten Ergebnis.“ Bei Wilde hat man es ja generell mit einem äußerst dankbaren und vielseitig einsetzbaren Aphorismenspender zu tun, der zum Nachdenken aber auch oft zum Widerspruch anregt; in diesem Fall, denke ich, würden die meisten von uns – gerade in Hinblick auf vergangene Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten – ihm doch zustimmen. Obwohl: ganz so einfach ist es ja doch nicht.

Die heute hier in diesem Festakt gefeierte und öffentlich sichtbar gemachte Exzellenz ist das Resultat vieler Faktoren, die gemeinsam einen günstigen Nährboden ergeben, auf dem sie wachsen und gedeihen kann. Zu diesen Faktoren gehören neben den eigentlichen Triebfedern einer wissenschaftlichen Karriere – Enthusiasmus, Leidenschaft, Engagement und Begeisterungsfähigkeit – auch eine gute Portion Zielstrebigkeit, Ausdauer, und Leidensfähigkeit, die man uns, denke ich, nicht absprechen kann. Es ist mir aber auch wichtig zu betonen, dass die Leistung, die heute hier ausgezeichnet wird, immer auch eine kollektive ist: das Resultat von Austausch, Feedback und Vernetzung, von Ermutigung und Unterstützung, und deshalb gebührt großer Dank den vielen Wegbegleiter:innen und Mentor:innen, die uns dabei helfen, die größten, spitzesten Steine aus dem Karriereweg zu räumen.

Hiermit sind wir auch schon an einem Punkt angelangt, der mich bei aller Feierlaune durchaus nachdenklich stimmt, denn um die Voraussetzungen für Erfolg und Exzellenz zu gewährleisten, braucht es auch ein stabiles, unterstützendes strukturelles Umfeld, in dem sich Visionen und Ideen langfristig entfalten können.

  • So stimmt es mich z.B. nachdenklich, dass nach wie vor das Narrativ im Umlauf ist, dass prekäre und instabile Anstellungsverhältnisse angeblich wissenschaftliche Exzellenz fördern.
  • Es stimmt mich auch nachdenklich und äußerst besorgt, dass rezente politische Entwicklungen – hier sei nur als Stichwort der berüchtigte „§109 der Novelle des Universitätsgesetzes 2002“ genannt – in der Praxis die prekären Arbeitsbedingungen vieler Drittmittel-Stelleninhaberinnen noch verschärfen und systematisch Kontinuitäten zunichte machen.
  • Es stimmt mich nachdenklich und ermüdet mich, dass ich, als ehemalige FWF-Schrödinger und Firnberg-Stelleninhaberin und nunmehrige Elise-Richter- und FWF-Einzelprojektleiterin, erheblichen administrativen Aufwand betreiben muss, um im Lichte dieser besorgniserregenden Entwicklungen die von mir eingeworbenen Forschungsprojekte an eine andere Forschungsinstitution (als die, an der und für die ich sie eingeworben habe) zu verlegen, damit Planungssicherheit und ein Minimum an Karriereperspektive gewährleistet sind – und hier bin ich durchaus kein Einzelfall.
  • Es stimmt mich auch nachdenklich, dass die FWF-Frauenförderprogramme meiner Erfahrung nach (aber auch in der vieler meiner Kolleginnen) in der Forschungslandschaft und von den Forschungsinstitutionen oft nicht als die hochkompetitiven Exzellenzprogramme wahrgenommen werden, die sie sind; gerade was die Bereitschaft angeht, jene verstätigten Arbeitsverhältnisse, die das problematische Gesetz zuließe, auch tatsächlich anzubieten.

Ich bin nur ungern Diejenige, die die allgemeine Feierstimmung trübt (im Englischen gibt es übrigens dafür den schönen, plastisch-anschaulichen Begriff des „party-pooper“). Wir sind dankbar, dass wir durch die Förderung des FWF unserer Leidenschaft nachgehen und wissenschaftliche Forschung betreiben können. Und dennoch bin ich der Meinung, es ist essentiell, gerade im Rahmen eines solchen Festakts, die Realitäten, mit denen exzellente Forscherinnen konfrontiert sind, anzusprechen – auch stellvertretend für viele meiner Kolleginnen.

Ich habe vorhin von der Bedeutung des Gemeinschaftlichen und Kollektiven gesprochen, und ich denke, wir sind alle gefordert – Politik, Unis, Forschungsinstitutionen, Fördergeber, und Wissenschafter:innen – gemeinsam und im Dialog die Wissenschaftskultur, sowie die Strukturen und Bedingungen, unter denen sie stattfindet und sich entwickeln kann, zum Positiven zu verändern: dazu gehört prioritär die Entwicklung von entprekarisierenden Karrieremodellen und langfristigen Perspektiven für exzellente Wissenschafter:innen in Forschung und Lehre. Und hier ist auch nicht zuletzt der FWF gefordert, seinen Einfluss geltend zu machen, sich eindeutig zu positionieren und den Exzellenzanspruch der FWF-Frauenförderprogramme klarer und breitenwirksamer zu kommunizieren.

Die heutige Feier ist ein guter Anlass und Rahmen für diesen Dialog. Sie ist aber (und vor allem!) auch Anlass, einmal kurz innezuhalten, uns zu erlauben, uns zu freuen und auf uns und unsere Leistungen stolz zu sein und gemeinsam zu feiern. Um es mit Wilde zu sagen: „I never put off till tomorrow what I can possibly do – the day after.“ – “Verschiebe nicht auf morgen was genauso gut auf übermorgen verschoben werden kann.” Und ich hier, denke ich, kann man ihm wiederum rechtgeben.

Sandra Mayer, 23 Mai 2022

English version

Distinguished guests and representatives of the FWF Austrian Science Fund, the Federal Ministries and the Universities; dear family, friends and mentors; dear honoured colleagues,

As a literary historian, I’d like to start with a quote by Oscar Wilde, who wrote in a letter from 1883: “Success is a science; if you have the conditions, you get the result.” Of course, Wilde is known for his thought-provoking and sharp-tongued aphorisms on every possible – and often impossible – subject, and often one is inclined to contradict violently. In this case, however, and in the light of past experiences of success and failure, most of us would probably admit that he’s got a point. And yet, things aren’t quite as simple and straightforward as Wilde’s catchy formula would make it seem.

The much-quoted ‘academic excellence’ that is being celebrated and made visible here today is the result of a wide range of factors and conditions. What drives our academic careers, in the first place, is our innate capacity for enthusiasm, passion, commitment, and curiosity, as well as a good portion of determination, stamina, and – more than one would wish, or care to admit – a sustained readiness to wrestle with adversity. What is more, excellence and professional success are always achieved collectively: they spring from feedback and exchange, encouragement and support, provided by a whole network of friends and family, colleagues and mentors, who help us overcome, or circumvent, the biggest obstacles in our way.

Talking of obstacles, there are a number of issues that fill me with great concern – because scholarly excellence and first-rate scientific research, in order to thrive and flourish, require a stable and supportive structural environment that nurtures visions and enables long-term perspectives.

  • It fills me with concern, for instance, that the old, well-worn narrative that precarity and short-term employment contracts allegedly foster academic excellence is still alive and kicking.
  • It also fills me with concern that recent political developments – and here I’m particularly referring to §109 of the UG Amendment 2021 – aggravate the precarious employment conditions faced by many third-party-funded (female) scholars, and thus systematically undermine continuities and stability.
  • It fills me with concern, and I find it deeply exhausting, that, as an FWF-funded Elise Richter Fellow and Standalone-Project Lead, I have been forced to go to considerable lengths to ensure that my successfully funded projects remain unaffected by these alarming developments by moving them to a different research institution. And I am not the only one who has had to resort to such measures in order to maintain some kind of career perspective for myself.
  • It also fills me with concern that – in my and many of my female colleagues’ experience – the FWF’s career development programmes for women are still often not perceived and treated as the highly competitive excellence programmes that they are. This becomes sadly visible in research institutions’ reluctance to offer permanent posts, or even long-term employment perspectives to Elise Richter Fellowship holders.

Let me make it clear: I don’t want to cast myself in the role of the ‘party-pooper’ here – there is lots to be joyful about and grateful for, not least the chance to pursue the work we’re really passionate about. And yet, I believe it’s crucial to address the realities many excellent female scholars find themselves confronted with, and to take them into the public sphere.

Earlier, I mentioned the importance of the collective and the collaborative: it takes a collective effort by all of us – scholars, decision-makers in politics, at the universities and research institutions, and within funding bodies – to change academic culture and its structural framework for the better. Priority should be given to the generation of long-term career models and the increase of tenure-track positions, and here I also call upon the FWF Austrian Science Fund to use its influence, to position itself clearly, and to place greater emphasis on the excellence and competitive quality of its academic career development programmes for women.

Today’s celebration offers many opportunities for dialogue and exchange. Above all, however, this evening we should all indulge in a brief moment of happiness and reflection – for once, we should pause and take a deep breath, allow ourselves to be proud of our achievements and to celebrate them with family and friends. As Oscar Wilde would say, “I never put off till tomorrow what I can possibly do – the day after.” And I think, he’s got a point there, too.

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