8 March 2023 (english version here)
Sehr geehrte Vertreter:innen des FWF, der Ministerien und der Universitäten, sehr verehrte Gäste, liebe Kolleginnen,
zuallererst möchte ich mich sehr herzlich beim FWF bedanken. Erstens für die Auszeichnung mit dem Elise-Richter-Preis. Zweitens, dass ich heute die Ehre habe – zumal am internationalen Frauentag –, die Dankesrede im Namen der diesjährigen Preisträgerinnen halten zu dürfen.
Als mich die Anfrage für diese Rede erreicht hat, habe ich spontan und ohne länger nachzudenken zugesagt. Ich habe mich darüber gefreut und war mir sicher, dass ich Vieles zu sagen habe. Je näher aber der heutige Abend rückte, umso unsicherer wurde ich mit der Aufgabe, im Namen der Preisträgerinnen eine Dankesrede zu halten. Ich denke, dafür gab es zwei Gründe: Zum einen, hätten alle hier anwesenden Preisträgerinnen sicher viel Bedeutendes zu sagen. Über ihre Forschung, aber auch über ihre persönlichen Erfahrungen als Wissenschaftlerinnen auf dem bestimmt für alle nicht einfachen Weg hierhin. Der andere Grund, warum mir diese Rede nicht leicht fiel liegt aber noch etwas tiefer: denn manchmal kann ich es selbst noch nicht ganz fassen, nun zu diesem Kreis von Wissenschaftlerinnen zu gehören und jetzt auch noch für diese zu sprechen.
Ich höre immer wieder von Kolleg:innen, die schon von Kind an davon geträumt haben, diesen Berufsweg einzuschlagen – und ihn dann auch, trotz aller Anstrengungen – ganz selbstverständlich gegangen sind. Ich gehöre nicht zu dieser Gruppe. Nicht weil ich die Wissenschaft nicht interessant gefunden hätte, sondern einfach deshalb, weil ich überhaupt keine Vorstellung davon hatte, was eine Wissenschaftlerin überhaupt macht – und auch niemand in meinem sozialen Umfeld mir das vermitteln konnte. Dementsprechend war mein Weg in die Wissenschaft auch alles andere als geradlinig oder naheliegend. Er führte über viele Umwege. Lange hat mich das Gefühl verfolgt, aufgrund eines Irrtums, gewissermaßen fälschlicherweise, an der Universität gelandet zu sein. Als Frau, mit Migrationshintergrund, aus einer nicht-akademischen Familie, ist es – wie sie alle wissen – bis heute statistisch eher unwahrscheinlich, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Man hat in der Regel auch eine gewisse Abneigung dagegen sich über diese Merkmale zu definieren. Ich erwähne es dennoch, um meine Anerkennung für den FWF dafür zum Ausdruck zu bringen, dass er auch Forscher:innen fördert, deren Biographien aus vielfältigen Gründen, wie meine, nicht linear verliefen. Und ich denke, hier liegt auch eine besondere Bedeutung und Verantwortung von Frauenförderprogrammen in einer noch immer stark von Geschlechter-ungleichheiten geprägten Wissenschaftswelt.
Das sage ich nicht nur aus eigener Dankbarkeit, sondern auch und vor allem, weil ich glaube, dass Nicht-Linearität eine große Bedeutung für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn selbst hat. Als Anton Zeilinger den Nobelpreis erhalten hat, wurde ja schon viel darüber diskutiert, wie wichtig die Freiheit im wissenschaftlichen Erkenntnisprozess ist, sich auch verlaufen zu können, Fehler zu machen – und nicht alles linear auf einen vorab definierten Nutzen auszurichten. Viele der hier Anwesenden haben wahrscheinlich selbst die Erfahrung gemacht, wie Prekarität und Karrieredruck gerade bei jungen Wissenschaftler:innen in Österreich dieses Gefühl, die Freiheit zu haben, Umwege zu gehen und auch Scheitern zu dürfen, ersticken. Hinzu kommt die Anrufung internationaler Mobilität, die für viele bedeutet, innerhalb weniger Jahre immer wieder den Lebensmittelpunkt zu verlagern.
Auch in dieser Hinsicht weicht meine Wissenschaftsbiographie wohl von der Norm ab. Aber ich bin überzeugt, dass gerade diese Abweichung eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass ich nun hier stehe: Ich konnte meine Forschung über mehrere Jahre in einem stabilen Umfeld beruflicher aber auch privater Beziehungen aufbauen und entwickeln. Ich habe enorm von der damit verbundenen Stabilität und Konzentration profitiert – so wichtig internationale Netzwerke und Kooperationen bei der Entwicklung meines Forschungsthemas auch waren.
In diesem Sinne möchte ich mich abschließend – und ich denke, hier spreche ich tatsächlich für alle Preisträgerinnen – vor allem bei all jenen bedanken, die uns inspiriert und unterstützt haben, uns zugehört haben und uns Mut zugesprochen haben – unseren Mentorinnen und Mentoren, unseren Freundinnen und Freunden, und vor allem unseren Familien. Und dem FWF dafür, dass wir das besondere Privileg haben, uns vier Jahre lang in einem stabilen Rahmen auf unsere Forschung konzentrieren zu können.
Alina Brad, 8.3.2023
Event report (in German) https://www.fwf.ac.at/de/news-presse/news/nachricht/nid/20230309-2849