Original Article: der-standard by (Katharina Wiedlack, Julia Lajta-Novak, 27.1.2021)
Wie das geplante UG innovative, interdisziplinäre Forschung behindert und Frauen und Minderheiten den Zugang zur universitären Laufbahn erschwert
“Und das nennst du Karriere?”, fragte der Leichtathletiktrainer ungläubig. Kurze, befristete Verträge, großer Konkurrenzkampf und höchste Mobilitätsbereitschaft; drei Jahre Assistentin hier, eine zweijährige Karenzvertretung dort, ein Jahr Stipendium im Ausland, zwei Jahre “Research Fellow” an der nächsten Universität. Keine Planungssicherheit und ständig der Druck, im laufenden Anstellungsverhältnis das nächste anbahnen zu müssen. Wenn Laien über die Universität als “geschützten Arbeitsplatz” witzeln und man ihnen dann erklärt, wie das System tatsächlich mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs (sprich: jenen, die keine Professur innehaben) verfährt, folgt meist großes Staunen. “Warum tut sich das dann irgendwer an?”
Zur Klarstellung: Wir machen unseren Job aus Begeisterung und mit Leidenschaft und nehmen dafür so einiges in Kauf. Doch die dem Parlament derzeit vorliegende Novelle des Universitätsgesetzes (UG) droht unsere ohnehin steinigen Karrierewege zusätzlich zu erschweren.
Novelle trifft Benachteiligte
Problematisch sind viele Punkte der Novelle: Die politische Unabhängigkeit der Universitäten wird (weiter) eingeschränkt, indem sie die Befugnisse der Senate zugunsten eines zunehmend politisch besetzten Universitätsrats aushöhlt. 24 ECTS-Punkte sollen nun innerhalb der ersten vier Semester erlangt werden. Schafft man diese Hürde nicht, droht eine Sperre von zehn Jahren für das jeweilige Studium. Die neuen Anforderungen werden genau jene Studierenden treffen, die ohnehin schon benachteiligt sind: Berufstätige, Menschen mit Pflegeverantwortung und hier wohl vor allem Frauen, Menschen mit Behinderung und so weiter.
Jungwissenschafterinnen und Jungwissenschafter wie uns wird besonders die geplante Änderung des Paragrafen 109 und der sogenannten Kettenvertragsregelung treffen, die Anfang Jänner in zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen kritisiert wurde.
Zunächst zur Erklärung: Befristete Kurzanstellungen (auf sechs, vier oder weniger Jahre) machen einen großen Teil der universitären Forschungsstellen in Österreich aus und auch einen guten Teil der Lehre. Das österreichische Arbeitsrecht sollte sittenwidrige Kettenarbeitsverträge eigentlich verhindern, indem es Arbeitgeber dazu verpflichtet, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach spätestens sechs Jahren einen dauerhaften Vertrag zu geben. Die Universitäten halten jedoch seit der Novellierung des Universitätsgesetzes 2002 an ihrem System fest – nur wenige unbefristete Verträge wurden seither vergeben. Stößt eine Forscherin oder Lehrbeauftragte zum Beispiel an besagte Sechsjahresgrenze, muss sie pausieren (an der Universität Wien meist ein volles Jahr!), damit die “Kette” als unterbrochen gilt und sie einen neuen befristeten Vertrag annehmen kann. Dieses “System” ergibt inhaltlich und geografisch zerklüftete akademische Laufbahnen, erschwert soziale Bindungen und Familienplanung und birgt die ständige Unsicherheit, ob man denn im nächsten oder übernächsten Jahr ein Einkommen haben wird.
Kein Wunder also, dass der sogenannte universitäre “Mittelbau” der angekündigten Novellierung des Universitätsgesetzes zum Teil hoffnungsvoll entgegenblickte. Noch weniger darf es nun aber verwundern, welches Entsetzen die geplante Novelle an den Universitäten auslöste, als Details bekannt wurden.
Schlag gegen innovative Nachwuchsforschung
Nun soll eine absolute Obergrenze von acht Jahren (für Lehrbeauftragte sogar sechs Jahre) eingezogen werden, die für viele Forschende und Lehrende einem Berufsverbot an den Universitäten gleichkommt, für die sie arbeiten. Die Begründung, dass damit die Universitäten nun aber wirklich dazu angehalten wären, unbefristete Stellen zu vergeben, um gute Leute zu halten, entringt vielen von uns nur ein müdes Lächeln. Das hätten sie schließlich auch bisher gekonnt und haben es selten getan. Auch der neue Gesetzesentwurf beinhaltet diesbezüglich keinerlei Vorgaben oder Anreize für die Universitäten.
Die absurden Auswüchse der gewählten Strategie kommen besonders zutage, wenn man sich die Situation von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ansieht, die wie wir selbst höchst erfolgreich Drittmittelprojekte und Preise eingeworben haben, die an renommierten ausländischen Instituten geforscht haben und deren Projekte und Publikationen mehrfach international und unabhängig begutachtet und für exzellent befunden wurden. Hatten sie bisher nicht das Glück, eine unbefristete Stelle antreten zu können – und die Möglichkeit bietet sich in diesem System nun einmal selten –, wären sie an ihrer jetzigen Universität in Zukunft gesperrt, selbst wenn sie ihr eigenes Gehalt und das Gehalt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über eine kompetitive, mehrjährige Projektförderung selbst mitbrächten.
International begutachtete Drittmittelprojekte sind oftmals interdisziplinär angelegt und bringen frischen Wind in die österreichische Forschungslandschaft. Für diese innovativen Felder gibt es bislang kaum Planstellen, die exzellente Forscherinnen und Forscher hier auffangen könnten. Die vorgeschlagene Gesetzesnovelle verstellt hier also nachhaltiger und innovativer Forschung den Weg.
Gefahr für die Unis
Für die Betroffenen bedeutet die geplante Novellierung einen weiteren Bruch in unseren Biografien. Sie bedeutet, dass wir auf unsere standortbezogene Arbeit nicht aufbauen können. Diese Diskontinuität wird auch die Universitäten treffen und besonders jene Fachrichtungen, die von externer Lehre und Forschung leben. Hier ist ein Braindrain zu erwarten, da viele exzellente Forschende ins Ausland wechseln werden (manche Fachrichtungen sind in Österreich überhaupt nur an einem einzigen Standort vertreten). Der Forschungsstandort Österreich wird dadurch weniger attraktiv gemacht – er wird Jungforschenden nun nicht einmal mehr mittelfristige Perspektiven bieten.
Das Netzwerk des Exzellenz-Förderprogramms “Elise Richter” (FWF) weist in seiner Stellungnahme zur geplanten UG-Novelle eindrücklich auf die Karriere-“Schere” zwischen Männern und Frauen im Wissenschaftsbetrieb hin. Wie jeder Schritt in Richtung größere Prekarität wird auch dieser Frauen besonders hart treffen (gerade während der Covid-Pandemie zeigt sich das einmal mehr), sowie Migrantinnen und Migranten, Menschen mit Behinderung, ethnische und andere Minderheiten. Es ist zu erwarten, dass die geplanten Gesetzesänderungen der Vielfalt an unseren Universitäten noch zusätzlich schaden – der inhaltlichen wie auch der personellen. (Katharina Wiedlack, Julia Lajta-Novak, 27.1.2021)